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Tagblatt, 09.08.2011

Presse-Echo



Tintenkleckser ganz oben


STADTFÜHRUNG
Rainer Niebergall erzählt im Westend interessante Geschichten


Von Hendrik Jung


Wiesbadener Tagblatt, 09.08.2011

Rainer Niebergall (rechts) führt durch das Westend. Auch in der Wellritzstraße hat er Interessantes zu erzählen. Foto: wita/Paul Müller

Seit fünf Jahren veranstaltet Gästeführer Rainer Niebergall Stadt-
spaziergänge zu mittlerweile 22 verschiedenen Themen. Seit diesem Sommer gibt es nun auch eine Führung durch das Westend.

Wiesbadens Westen vor gut 100 Jahren: Mit dem Zietenring ist gerade der erste Teil des späteren Zweiten Rings entstanden. Vorerst verbindet er nur den Dürerplatz mit der Nettelbeckstraße. Das erste Teilstück des Kurt-Schumacher-Rings existiert auch schon, heißt damals aber noch Westendstraße und mündet auf der grünen Wiese. „Wegen der Hypothekenkrise 1907/1908 endet hier die Bautätigkeit abrupt“, erläutert Rainer Niebergall.

Während die Krise im Rest des Deutschen Reiches schnell überwunden war, hat sie in Wiesbaden starke Auswirkungen gehabt. Schließlich hatte hier in den Jahren zuvor eine rege Bautätigkeit geherrscht. So hat beispielsweise die Bülowstraße fünfzehn Jahre zuvor noch nicht existiert. Der Roonstraße, von der sie ausgeht, merkt man heute noch an, dass es sich ursprünglich um einen alten Wirtschaftsweg außerhalb der Stadt gehandelt hat. Denn zwei der Häuser brechen deutlich aus der Front der dreigeschossigen Wohnhäuser heraus. Nicht nur was ihre Höhe angeht, sondern auch durch den Standort: Ihre Lage hat einst den Verlauf der Straße bestimmt.

An manchen Stellen der Tour ist es möglich, in die Hinterhöfe des Westends zu gelangen. Dort wird deutlich sichtbar, dass die Bauherren auf den Rückseiten der Wohnhäuser auf den üppigen Schmuck der Putz- und Klinkerfassaden der Straßenseite verzichtet haben. Hier wird offenbar, dass sich unter der Fassade Backsteinbauten verbergen und anhand der Fenster lässt sich noch deutlich nachvollziehen, wo im Treppenhaus früher die Toiletten zu finden waren. In den Hinter-
häusern, die ein Geschoss weniger aufweisen müssen als das Vorder-
haus, waren Handwerksbetriebe untergebracht.

„Die oberen Wohnungen waren für den niedrigeren Bedarf gedacht. Hier wohnten die Tintenkleckser, also die kleineren Beamten, Dienstleute aber auch kleine Rentner“, erläutert Rainer Niebergall. Zudem habe es sich beim Westend zu dieser Zeit um ein jüdisches Viertel gehandelt. Etwa ein Drittel der damals 3000 Menschen umfassenden Gemeinde habe in diesen Straßen gelebt. Die meisten von ihnen waren vor Pogromen aus dem russischen Zarenreich geflohen.

Da es im Westend kaum Wohnungen mit eigenem Bad gegeben hat, habe man sich Ende des 19. Jahrhunderts dafür entschieden, zur Hebung der hygienischen Verhältnisse in der Roonstraße ein Stadtbad zu errichten, das auch abends und an den Wochenenden geöffnet war. Wo sich heute ein Kindergarten befindet, standen einst Brausen, Sitzbrausen und Wannenzellen für Frauen und Männer zur Verfügung. Und das bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein.

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