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SAM - Stadtmuseum am Markt

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SAM - Stadtmuseum am Markt
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Schätze aus 25.000 Jahren –
Das Wiesbadener Stadtmuseum am Markt

Das Stadtmuseum kann Flagge zeigen

„Edele Vogell Phenix“ lautet die Inschrift einer Bildtafel vom alten Rathaus. Mehrere Stadtbrände hatten auch den Tagungsort des Stadtrats zerstört. Als die Bürger 1610 ein neues Rathaus bauten, platzzierten sie neben dem Stadtwappen einen Phönix, jenen mythischen Vogel, der am Ende eines Zyklus verbrannte, um aus der Asche neu zu erstehen.

Auch das Stadtmuseum hat so manchen Zyklus durchlaufen. Das Projekt schien 2005 auf einem guten Weg. Der Ausstellungsgestalter Hans Dieter Schaal entwickelte ein Konzept für die Daueraus-
stellung. Mit dem Land Hessen wurde die Über-
tragung der Sammlung Nassauischer Altertümer und eine Mitfinanzierung vereinbart, zur Errichtung des Gebäudes ein Wettbewerb veranstaltet und der Entwurf des Berliner Büros töpfer bertuleit archi-
tekten als Sieger ermittelt. Dann bröckelte ange-
sichts steigender Kosten die Zustimmung in der Bevölkerung; das Projekt wurde 2009 beerdigt. Das Grundstück wurde verkauft an einen Projektent-
wickler; der privat finanzierte Museumsbau sollte von der Stadt angemietet werden. Der Entwurf des Architekten Helmut Jahn wurde kontrovers disku-
tiert; schließlich war es das umstrittene Finanzie-
rungsmodell, das das Projekt 2014 zu Fall brachte. Die Zustimmung sank ins Bodenlose. Als die Bürger in einer Erhebung anstehende Projekte in der Stadt priorisieren sollten, landete das Museum auf dem letzten Platz. Das Stadtmuseum schien mausetot.

Seit dem 11. September zeigt das Stadtmuseum am Markt – kurz SAM – „Wiesbadens Lieblingsstücke“ zur Stadtgeschichte; 2000 Besucher kamen am ersten Tag in den Marktkeller am Dernschen Ge-
lände. Errichtet 1900 durch Stadtbaumeister Felix Genzmer, diente die Gewölbekelleranlage den Mark-
tbeschickern als Lagerraum und wurde nach einem Umbau zunächst als Marktkeller, dann als Ausstel-
lungsraum und schließlich als Event Location ge-
nutzt. Als das für Sonderausstellungen genutzte „Schaufenster Stadtmuseum“ hinter dem alten Rathaus wegen des beabsichtigten Abrisses aufge-
geben werden musste, entstand die Idee, dem Stadtmuseum hier einen Ausstellungsort einzu-
richten. Die für das Frühjahr 2016 geplante Eröffnung verzögerte sich dann aufgrund eines Wassereinbruchs.

Neue Blicke auf die Stadt

Auf 1.300 m² schlägt das SAM einen Bogen über 25.000 Jahre. Facetten der Stadtgeschichte von der Vorzeit bis in die Gegenwart werden in 12 Modulen anhand exemplarischer Objekte präsentiert. Obwohl sie angesichts des beschränkten Raums nur einen kleinen Teil des Bestands darstellen, lassen sie doch einen Rückschluss zu, über welche Schätze das Museum verfügt, und machen Lust auf mehr. Als „Paten“ haben 12 Wiesbadener Bürger ihre Lieblings-
stücke ausgewählt – manchmal unter sehr persön-
lichen Gesichtspunkten, die sie in Filmsequenzen erläutern. In einer Kinderausstellung können Kinder sich spielerisch dem römischen Wiesbaden nähern. Ergänzt werden diese Bereiche durch eine Multi-
funktionsfläche sowie einen Bereich, der Sonder-
ausstellungen vorbehalten ist. Dass das SAM nicht nur historisch orientiert ist, macht gleich das erste Projekt deutlich, das ganz in der Gegenwart verortet ist: „Flucht 2.0 – An Odyssey to Peace“ wird am 17. November eröffnet.

Das Alte Rathaus in Zeichnung und Modell

Und wer etwa meint, dass die Geschichte der Stadt im Wesentlichen mit dem Aufstieg des Badestädt-
chens im Herzogtum Nassau einsetzt, wird erstaunt sein, wenn er zum Auftakt Artefakte vorfindet, die Menschen vor 25.000 Jahren hinterlassen haben, so Steinzeitfunde im Bereich der Adlerquelle oder einen 20.000 Jahre alten „Nasenkratzer“. Um in das 19. Jahrhundert zu gelangen, hat der Besucher bereits fünf Module passiert, die sich mit der Vor- und Frühgeschichte, der römischen Zeit, dem Mittelalter, der frühen Neuzeit und dem 18. Jahrhundert be-
schäftigen und bemerkenswerte Exponate aufwei-
sen, so römische Götterbilder, frühchristliche Grab-
steine, die Stadtkasse aus dem späten Mittelalter, die älteste Darstellung des Stadtwappens aus dem Jahr 1592 oder eine Tür der abgebrannten Mauritiuskirche.

Die Kaiserkrone vom Bismarck-Denkmal

Dem 19. Jahrhundert sind drei Module gewidmet, die den Aufstieg in der napoleonischen Zeit, die Zeit des Herzogtums und die Kaiserzeit thematisieren und mit besonders schönen Objekten aufwarten können. Herzog Adolf ist mit seiner Pickelhaube präsent, und eine Voyeuse diente ihm als Sitzgelegenheit; auf einem Theatersessel soll Kaiser Wilhelm Platz ge-
nommen haben. Über weitere Module, die die Wei-
marer Republik und den Nationalsozialismus zum Thema haben, gelangt der Besucher in die Bundes-
republik und findet hier etwa die Planungen von Ernst May für das „Neue Wiesbaden“. Apart, dass im letzten Modul zur jüngsten Vergangenheit einige Brocken der abgerissenen Hochbrücke am Michels-
berg ausgestellt sind. Mit dem Modell des Museums-
baus an der Wilhelmstraße wird das Museum schließlich selbst zum Thema der Ausstellung.

Neben Stiftungen aus Privatbesitz und den Stücken, die das Stadtmuseum zusammengetragen hat, schöpft die Präsentation vor allem aus der Sammlung Nassauscher Altertümer, der eine Nische gewidmet ist. Basierend auf die Sammlungen des Bankiers Gerning entstand durch die Sammeltätigkeit des Vereins für Nassauische Altertumskunde und die Integration weiterer Sammlungen eine bedeutende bürgerliche Sammlung, die das kulturhistorische Gedächtnis der Region bildet. Im Landesmuseum lange Zeit zu einem Schattendasein verdammt, befinden sich die 380.000 Objekte heute weitgehend unter Verschluss. Mit der Eröffnung des SAM kann nun ein Bruchteil Wiesbadener Stadtgeschichte erzählen. Einige 1000 Objekte sind als Leihgaben in anderen Museen zu sehen oder bereichern große Ausstellungen, so aktuell in Trier.

50.000 Objekte und damit etwa zehn Prozent des Gesamtbestandes sind digitalisiert; aus ihnen kann der Besucher an einem Multimedia-Terminal sein ganz persönliches Lieblingsstück auswählen; die Favoriten werden im monatlichen Wechsel prä-
sentiert. Bleibt zu wünschen, dass viele Besucher in den Beständen stöbern. Nachdem ein Stadtmuseum für die Landeshauptstadt keine abstrakte Idee mehr ist, kann sogar die Hoffnung keimen, das auch das SAM eine Etappe bleibt, um einer Präsentation im größeren Rahmen Platz zu machen.


Rainer Niebergall


Mit leichten Kürzungen abgedruckt in FRIZZ DAS MAGAZIN für Mainz, Wiesbaden und Umgebung, Oktober 2016

Nachdruck, auch auszugsweise, gerne nach Absprache und mit schriftlicher Genehmigung.


Rainer Niebergall – KulTour & Mehr
Stadtführungen, Stadtgeschichte, Planung, Organisation & Management

Mitglied im Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e. V.
Taunusstraße 57 • 65183 Wiesbaden • Telefon 0611 507427 • Email: Info@KulTour-und-Mehr.de

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