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Die Bullenställe

Reportagen


Rund um die "Bullenställe"

Wiesbaden im Jahr 1804 – die Stadt zählt 3.000 Seelen in 400 Häusern und außerdem 168 Pferde, 65 Ochsen, 470 Kühe, 559 Schafe und 353 Schweine. Im Süden der Stadt entstehen neue Häuser für die Beamten der nassauischen Regierung und im Osten der Stadt wird um den Standort eines zu bauenden Gesellschaftshauses gerungen. Das Innere der Stadt um den Mauritiusplatz ist und bleibt bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ländlich geprägt.

Spielmann-Plan 1817


Die Geschichte der Schwalbacher Straße beginnt im Jahr 1817. Als Blick- und Endpunkt der Friedrichstraße baut Carl Florian Goetz die Infanteriekaserne. Bernhard Hunneshagen plant im rechten Winkel zur Friedrichstraße eine Straße. Christian Zais verlängert sie im Rahmen seiner Fünfeck-Planung schnurgerade und steil den Heidenberg hinauf: wo sich zuvor die Mahrschen Gärten befanden, entsteht eine Promenadenallee.

Das Gelände vor der alten Stadtmauer hatte der Müller Gottfried Mahr 1772 erworben und im Anschluss an den Hof in der Kirchgasse seine Gärten angelegt. Um 1800 ließ er einen Spiel- und Tanzsaal bauen, den die jüdische Gemeinde ab 1828 als Synagoge nutzte. Entlang der späteren Schwalbacher Straße, damals noch ein Feldweg, lagen die Pferde- und Ochsenställe. 1818 wurde das Gelände verkauft, um es zu bebauen.

Unterstützt durch Bauskostenzuschüsse und Steuerbefreiung entstehen die ersten Häuser, bis 1821 sind es zehn: einfach, schön und regelmäßig nach den Vorgaben der Herzoglichen Baugnaden. Bis 1830 ist die Schwalbacher Straße zwischen Friedrichstraße und Michelsberg komplett bebaut – einseitig! Nach Westen schließen sich die Kimbelwies und der Faulweidenborn an, ein vom Wellritz- und vom Dendelbach durchflossenes feuchtes Wiesengelände. Entlang der Bäche befinden sich Mühlen, der Faulweidenborn an der späteren Wellritzstraße ist wichtig für die Trinkwasserversorgung der Stadt, und auf der Kimbelwies bleichen Wiesbadener Waschweiber die Wäsche.

Die umgebauten Bullenställe Anfang der 1960er Jahre

Jenseits der Schwalbacher Straße kann sich Christian Zais allenfalls Landhausbebauung vorstellen, und Carl Boos hält 1856 in seinem „Generalplan über das Bauwesen der Stadt Wiesbaden“ daran fest. In den 1840er Jahren werden erste Landhäuser entlang der späteren Emser Straße gebaut; das erste Privathaus auf der westlichen Seite der Schwalbacher Straße steht 1838 am Eingang der Straße, die 1861 als „Bleichstraße“ eröffnet wird. Bis dahin ist entlang eines alten Feldwegs ein kleines „Gewerbegebiet“ entstanden mit einer „Bleichanstalt Körnchen“ und einer „Gärtnerei Brömser“. Seit 1850 gibt es, dem 1860 angelegten Faulbrunnenplatz direkt benachbart, eine Institution, die für alle die wichtig ist, die Rindviecher unterzustellen haben oder deren Kühe gedeckt werden sollen: die städtischen „Bullenställe“.

Die Schwalbacher Straße mit der "Wartburg"

Obwohl auf der westlichen Seite der Schwalbacher Straße einige Landhäuser entstehen, lässt sich die Konzeption der Landhausbebauung nicht durchhalten. Innerhalb des Historischen Fünfecks gibt es keine Baugrundstücke mehr, und der Bevölkerungszuwachs zwingt zur Erschließung neuer Wohnquartiere. 1861 setzt Bürgermeister Fischer eine Änderung der Nutzung durch – auch in der Absicht, landwirtschaftliche Betriebe endgültig aus der Innenstadt zu verbannen und „so die der Kurindustrie nachteiligen Übelstände, namentlich das Ausfahren von Mist und Jauche durch die Straßen zu beseitigen“. Entlang des alten Faulweidenbornwegs, der Wellritzstraße, entsteht in einem rechtwinkligen Straßennetz ein kleinbürgerliches Wohnquartier, das von Handwerkern, kleinen Gewerbetreibenden, Angestellten und Beamten, den so genannten „Tintenklecksern“, bewohnt wird.

1880 werden die „Bullenställe“ in die obere Dotzheimer Straße verlegt, die Zeit der Viehhaltung im Inneren der „Weltkurstadt“ nähert sich ihrem Ende. Das Gebäude bleibt zunächst erhalten und wird zu Wohnzwecken umgebaut. Nachdem eine der fast jährlichen Typhus-Epidemien im Hochsommer 1885 nochmals 59 Menschen das Leben gekostet hat, bestimmt eine Polizeiverordnung 1887: „lm Stadtteil, welcher von der Saalgasse, Webergasse, Langgasse, Kirchgasse, Rheinstraße und Wilhelmstraße begrenzt wird, müssen Schweineställe binnen Jahresfrist entfernt werden, Jauchepumpen innerhalb von 14 Tagen“.


Rainer Niebergall



Nachdruck, auch auszugsweise, nach Absprache und mit schriftlicher Genehmigung. Die Veröffentlichung der Abbildungen erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch das Stadtarchiv Wiesbaden.


Rainer Niebergall – KulTour & Mehr
Stadtführungen, Stadtgeschichte, Planung, Organisation & Management

Mitglied im Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e. V.
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