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Presse-Echo
EntdeckungsTour
Tatort Wiesbaden: Fiktive und reale Kriminalfälle aus 300 Jahren
Jugendstil aufspüren in der Stadt des Historismus? „Wenn man sich umsieht, kann man einiges entdecken“, sagt Rainer Niebergall, der die etwas andere Stadtführung anbietet. Jugendstil ist für ihn eine Reformbewegung, die sich auch gegen „verkrustete gesellschaftliche Formen“ wehrt. Niebergall hat im Jugendstiljahr eine Stadtführung konzipiert, die das Lebensgefühl des Fin de Siècle lebendig werden lässt.
Wiesbaden blieb dem Historismus verhaftet
Warum der Jugendstil sich in der Landeshauptstadt nicht aufdrängt, erklärt der Stadtführer so: Kaiser Wilhelm II. wehrte den Jugendstil ab – als zu modern, zu revolutionär –, mit Tendenz zum Republikanischen. Seine ständigen Aufenthalte in Wiesbaden haben „das gesellschaft-
liche Klima“ beeinflusst. Des Kaisers wegen blieb man „konservativ dem Historismus verhaftet“. Trotzdem hätten Wiesbadener Baumeister und Architekten kurz nach der Jahrhundertwende die neuen Tendenzen aufgenommen: „In einer spezifisch Wiesbadener Form.“
Niebergall erstes Beispiel steht in der Wilhelmstraße 32 – das ehema-
lige Hotel „Bellevue“. Architekt und Bauherr entwickelten beim Neubau Ehrgeiz. Sie wollten 1904 ein Haus im hochmodernen Jugendstil er-
stellen, aber auch den Kaiser nicht vergrätzen. Deswegen verschmolz man beide Wiesbadener Stilarten: den auf Repräsentation bedachten wilhelminischen Neobarock mit dem eher nüchternen neuen Stil zu einem „Wiesbadener Jugendstil“. Niebergall: In der dritten Etage geht es richtig los mit exquisiten Fensterformen mit bizarren Zacken und floralem Schmuck auf der Fassade.“ Man hat ein neues Verhältnis zum Licht. Neue, größere Fenster werden jetzt verlangt.
An anderen Häusern mögen es oft nur die Balkongeländer sein, die im „neuen Stil“ daherkommen. „Es gibt ja nicht nur den floralen Jugendstil belgisch-französischer Prägung, sondern auch einen sehr strengen geometrischen, wie er von Wien und der Sezession geprägt wird.“ Am Beginn der neuen Passage in der Wilhelmstraße macht Niebergall seine Zuhörer aufmerksam auf Jugendstil-Elemente, die einst zur Schalter-
halle einer Bank gehörte – mit Keramik der großherzoglichen Manu-
faktur in Darmstadt geschmückt, von Jakob Julius Scharvogel her-
gestellt. Typisch für ihn sind die dunklen Farben.
Spröder Reiz des Sezessionsstils
In der Herrnmühlgasse, in der Mühlgasse und Wagemannstraße (hier das ehemalige Hotel „Goldener Brunnen“) macht Niebergall auf Bauten aufmerksam, die mit Jugendstil-Dekor geschmückt sind. „Wir haben in Wiesbaden üppige Fassaden. Ausgepackt käme immer ein Backstein-Rohbau zum Vorschein.“ Stil – neu oder alt – wurde je nach Geschmack „vorgehängt“. An der Ecke Mühlgasse / An den Quellen hat der Architekt Josef Beitzscher „Spätgotik“ mit Türmchen und Erkern angebracht. Während er in der Bingertstraße 10 aus weißem Sandstein die qualitätsvollste und ausgeprägteste Schöpfung des Jugendstils in Wiesbaden errichtete. Dieses Haus konnte Niebergall seinen Gästen nur auf einer Fotografie zeigen – zum „Weißen Haus“ hinzulaufen, wäre zu weit gewesen.
Beim Palast-Hotel empfiehlt Niebergall, gelegentlich einen Blick in den Wintergarten zu werfen, falls die Eingangstür mal offensteht. Mit dem spröden Reiz des Sezessionsstils schmückte der städtischen Baurat August O. Pauly das von 1910 bis 1913 errichtete Kaiser-Friedrich-Bad. Die Gruppe wanderte drum herum bis zum an die Coulinstraße angrenzenden Baukörper, der im Innern die üppig mit heiterem Jugendstil-Dekor ausgestattete Schwimmhalle beherbergt. Von der Treppe am Römertor der Blick auf das Pressehaus: Das Wissen thront auf dem Dach. Phillip Modrows allegorische Figur krönt den Giebel – reinster Jugendstil. Wie die beiden Bronzeadler des Wiesbadener Bildhauers Willy Bierbrauer – Jugendstil an der Fassade. So auch die eigenwilligen säulengeschmückten Fensterpartien. Im Zeitungspalast drinnen fand sich oft lupenreiner Jugendstil. Geblieben sind davon zum Beispiel ein Briefkasten und Heizungsverkleidungen aus Messing mit üppigen floralen Ornamenten.
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